16.Mai 2024 (Do.) Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber „Antisemitismus – Definition, Ideologievarianten und Funktionen“
4. Juni 2024 (Di.) Prof. Dr. Rolf Pohl „Antisemitische Wahrnehmungs- und Einstellungsmuster. Zur Sozialpsychologie eines kollektiven Wahns“ (18:30 Uhr – – Biologischer Hörsaal, Uni-Hauptgebäude, Ludwigsstraße 23)
25. Juni 2024 (Di.) Prof. Dr. Stephan Grigat „Persistenz des Antizionismus. Israelfeindschaft in Geschichte und Gegenwart“ (18:30 Uhr – Alte UB 3, Bismarckstr. 37)
1.) „Antisemitismus: Definition, Ideologievarianten, Dimensionen und Erscheinungsformen“ (Prof. Dr. Pfahl-Traughber):
Zunächst soll als Ausgangspunkt eine Definition präsentiert werden, die sich auf den Antisemitismus allgemein bezieht und verschiedene Dimensionen unterscheidet. Es geht um eine Feindschaft gegen Juden als Juden. Die Aversionen beziehen sich demnach auf das angebliche oder tatsächliche „Jüdischsein“, während andere Motive nur eine sekundäre Relevanz haben. Idealtypisch lassen sich Ideologievarianten
unterscheiden: eine religiöse („jüdischer Rachegeist“), sozioökonomische („jüdisches Finanzkapital“) politische („jüdische Macht“) nationalistische („Fremdkörper“) und rassistische („jüdische Rasse“).
Gegenüber diesen älteren Formen gibt es auch neuere Varianten: der sekundäre Antisemitismus (Haltung einer angesichts des Holocaust bestehenden „Schuldabwehr“), aber eben auch die israelfeindliche Form.
Die Besonderheit der Letztgenannten besteht darin, dass ältere Auffassungen der Judenfeindschaft in einem solchen Kontext erkennbar sind, Antisemitismus sich demnach in der Feindschaft gegen Israel eben als jüdischem Staat zeigt. Der Antisemitismus kann unterschiedliche Dimensionen annehmen, wodurch er sich auch von anderen Feindschaften gegen Minderheiten unterscheidet. Dort lässt sich meist eine Einstellung von „oben“ nach „unten“ feststellen, wobei der Betrachter die gemeinten Minderheiten für minderwertig hält. Auch beim Antisemitismus kursiert diese Einstellung. Gleichwohl gibt es dort ebenso die Einstellung von „unten“ nach „oben“, wobei sich Antisemiten als von Juden unterjocht wahrnehmen. Häufig lässt sich dabei auch eine allgemeine Auffassung konstatieren. Dabei geht es geht nicht nur um eine bloße Feindlichkeit gegen eine Minderheit, sondern um ein alle nur möglichen Entwicklungen erklärbar machendes Weltbild. Darin besteht beim Antisemitismus gegenüber dem Rassismus ein wichtiger Unterschied. Er kann sich außerdem in unterschiedlichen Erscheinungsformen nach folgenden Graden
artikulieren: latente Einstellungen, indirekte Anspielungen, manifeste Aussagen, reale Benachteiligungen, unterschiedliche Gewaltpraktiken.
Prof. Dr. Armin Pfahl-Traughber, Politikwissenschaftler und Soziologe, ist hauptamtlich Lehrender an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung Brühl und Lehrbeauftragter Universität Bonn. Er gibt mit Hendrik Hansen zusammen das „Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung“ heraus. Promotion über antisemitisch-antifreimaurerische Verschwörungsmythen in der Weimarer Republik und im NS-Staat 1994, Einführungsband zu „Antisemitismus in der deutschen Geschichte“, Opladen 2002; Mitglied der beiden Unabhängigen Expertenkreise Antisemitismus des Deutschen Bundestags.
2.) „Antisemitische Wahrnehmungs- und Einstellungsmuster. Zur Sozialpsychologie eines kollektiven Wahns“ (Prof. Dr. Pohl):
Was macht die Attraktivität des Antisemitismus aus und warum und unter welchen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen scheinen Menschen offenbar immer wieder anfällig für ihn und seinen Irrationalismus zu sein? Diesen Fragen werde ich aus einer sozialpsychologischen Perspektive nachgehen. Dabei geht es insbesondere um Hass, Feindbildung und die Manipulation sozialer Wahrnehmungsmuster.
Prof. Dr. Pohl war bis 2017 Professor für Sozialpsychologie am Institut für Soziologie an der Leibniz Universität Hannover. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören im Bereich der Politischen Psychologie die Themen NS-Täter, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit.
3.) „Persistenz des Antizionismus. Israelfeindschaft in Geschichte und Gegenwart“ (Prof. Dr. Stephan Grigat)
Am Beginn des 21. Jahrhunderts ist die antizionistische Ideologie zu neuem Leben erwacht und weist weit über den Kreis linker Kleingruppen hinaus. In den Attacken auf Israel tritt der Antisemitismus als eine spezifische Form des Judenhasses nach Auschwitz auf, der sich gegen den kollektiven Juden, den jüdischen Staat, richtet. Der Vortrag wird zum einen Grundzüge einer Kritischen Theorie des Israelhasses skizzieren, frühe Formen eines antisemitischen Antizionismus vor der Gründung Israels beleuchten und die Modifikationen in den diversen Ausprägungen des Antizionismus nach 1945 beleuchten. Zum anderen soll verdeutlicht werden, vor welchen Herausforderungen Israel durch die veränderten Realitäten des Nahen Ostens und durch die aktuellen Erscheinungsformen des Antizionismus steht.
Prof. Dr. Stephan Grigat ist Professor für Theorien und Kritik des Antisemitismus an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen und Leiter des Centrum für Antisemitismus- und Rassismusstudien (CARS) in Aachen. Er ist Research Fellow an der Universität Haifa und am London Center for the Study of Contemporary Antisemitism, Autor von „Die Einsamkeit Israels: Zionismus, die israelische Linke und die iranische Bedrohung“ (Konkret 2014), Herausgeber von „Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart: Erscheinungsformen – Theorien – Bekämpfung“ (Nomos 2023) und Mitherausgeber von „Erinnern als höchste Form des Vergessens?
(Um-)Deutungen des Holocaust und der Historikerstreit 2.0“ (Verbrecher 2023).
Die Veranstaltungsreihe wird gemeinsam mit der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung (HLZ) und in Kooperation mit Dr. Alexandra Kurth (Institut für Politikwissenschaft der JLU) durchgeführt. Das Projekt „Proaktiv gegen Antisemitismus“ wird gefördert durch das Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ der Hessischen
Landesregierung: hke.hessen.de